Innenwandputze aus Lehm und Kalk: Raumklima, Verarbeitung und praktische Unterschiede

Innenwandputze aus Lehm und Kalk: Raumklima, Verarbeitung und praktische Unterschiede Dez, 11 2025

Warum Lehm- und Kalkputz wieder populär werden

Stell dir vor, du betrittst einen Raum, in dem die Luft klar ist, die Wände nicht kalt anfühlen und sich alles ein bisschen ruhiger anfühlt - als ob die Wände atmen. Das ist kein Zauber, sondern das Ergebnis von Lehmputz und Kalkputz. Beide sind natürliche Mineralputze, die seit Jahrhunderten verwendet wurden, dann fast verschwanden - und jetzt zurückkommen. Warum? Weil wir endlich merken, wie schlecht konventionelle Dispersionsputze mit Chemikalien und undurchlässigen Schichten unsere Innenräume belasten.

Im Jahr 2025 ist die Nachfrage nach diesen Naturputzen in Österreich und Deutschland um fast 9 % gestiegen. Besonders in Sanierungen von Altbauten, bei Allergikern und in Passivhäusern werden sie bevorzugt. Kein Wunder: Sie regulieren die Luftfeuchtigkeit, binden Schadstoffe, sind emissionsfrei und können recycelt werden. Aber sie sind nicht gleich. Lehmputz und Kalkputz unterscheiden sich in ihrer Wirkung, Verarbeitung und Einsatzfähigkeit wie Tag und Nacht.

Wie Lehmputz das Raumklima verbessert

Lehmputz besteht aus natürlichen Bestandteilen: Lehm, Sand und manchmal pflanzliche Fasern wie Stroh oder Hanf. Er ist chemisch rein - kein Lösungsmittel, kein Kunststoff, kein Schadstoff. Das macht ihn ideal für empfindliche Menschen. Er zieht keine Staubpartikel an, weil er sich nicht elektrostatisch auflädt. Und er nimmt Feuchtigkeit aus der Luft auf, wenn es feucht ist, und gibt sie wieder ab, wenn die Luft trocken wird.

Das funktioniert nicht durch magische "atmende Wände" - das ist ein Mythos - sondern durch physikalische Diffusion. Ein Lehmputz mit einer Dicke von mindestens 15 Millimetern kann einen messbaren Effekt auf das Raumklima haben. Bei 3-5 mm wirkt er kaum. Wer das nicht beachtet, bekommt keine spürbare Verbesserung. Die Feuchtigkeitsaufnahme liegt bei bis zu 20 % des Eigengewichts. Das ist deutlich mehr als bei Gips oder Dispersionsputz.

Ein weiterer Vorteil: Lehmputz bindet flüchtige organische Verbindungen wie Formaldehyd aus Möbeln oder Lacken. Er neutralisiert sie chemisch - kein Filter, keine Technik, einfach die Natur. Das macht ihn besonders wertvoll für Kinderzimmer, Schlafzimmer oder Räume mit neuen Einrichtungsgegenständen.

Kalkputz: Die schimmelsichere Alternative

Kalkputz ist anders. Er besteht aus Luftkalk, Wasserkalk oder hydraulischem Kalk - je nachdem, wie er hergestellt wird. Sein pH-Wert liegt bei etwa 12. Das ist stark alkalisch. Und genau das macht ihn zum perfekten Schimmelhemmer. Schimmelpilze überleben nicht in dieser Umgebung. Deshalb ist Kalkputz die erste Wahl für Badezimmer, Küchen und Flure - Orte, wo Feuchtigkeit und Schimmel sonst schnell zum Problem werden.

Er ist härter als Lehmputz, widerstandsfähiger und eignet sich gut für Bereiche mit viel Berührung. Kinder, Hunde, Möbel - das macht ihm nichts aus. Eine feine Glätte (Körnung bis 0,5 mm) sieht elegant aus, eine grobe Struktur (bis 2 mm) wirkt rustikal und ist besonders robust. Der Hersteller Saint-Gobain Weber nennt seine Produkte "weber.cal Bio" - und das ist kein Marketing-Gimmick. Sie sind emissionsfrei, zertifiziert für Allergiker und erfüllen höchste Anforderungen an die Innenraumluftqualität.

Ein weiterer Vorteil: Kalkputz bindet CO₂, während er aushärtet. Dieser Prozess heißt Karbonatisierung. Er ist also nicht nur gesund für dich - er ist auch gut fürs Klima.

Badezimmer mit glattem Kalkputz an der Wand, keine Schimmelbildung sichtbar

Verarbeitung: Was du wirklich brauchst

Beide Putze sind nicht wie Dispersionsputz - du kannst sie nicht einfach mit einer Rolle auftragen und fertig sein. Sie erfordern Respekt, Erfahrung und Geduld.

Lehmputz härtet durch Lufttrocknung. Das ist energieeffizient, aber langsam. Pro Millimeter Schichtstärke brauchst du 1-2 Tage Trockenzeit. Zu schnell weiterarbeiten? Dann löst sich der Putz ab. Der Untergrund muss sauber, staubfrei und angeraut sein. Glatt verputzte Wände? Nicht geeignet. Du musst sie mit einer Bürste oder einem Raspel anrauen, sonst hält der Putz nicht.

Kalkputz ist härter zu verarbeiten - und das nicht nur wegen der Trockenzeit. Er ist ätzend. Beim Anrühren und Verarbeiten brauchst du unbedingt Schutzhandschuhe, Augenschutz und eventuell eine Atemschutzmaske. Lange Hautkontakt kann zu Verbrennungen führen. Kein Wunder, dass viele Heimwerker ihn scheuen. Aber: Wenn du ihn richtig anwendest, ist er extrem langlebig. Die Trockenzeit liegt bei 7-14 Tagen, je nach Luftfeuchtigkeit und Temperatur. In kühlen, feuchten Räumen kann es sogar länger dauern.

Ein häufiger Fehler: Beide Putze zu früh zu überstreichen. Viele denken, sie könnten sie mit einer Farbe überdecken. Das geht - aber nur mit speziellen Kalk- oder Lehmfarben. Normale Dispersionsfarben verschließen die Poren. Dann ist der Vorteil der Diffusion weg. Du hast dann nur eine teure, schlecht verarbeitete Wand.

Wo du welchen Putz einsetzt - klare Empfehlungen

  • Lehmputz: Schlafzimmer, Wohnzimmer, Kinderzimmer (ohne direkten Wasserkontakt), Arbeitsräume. Ideal für Allergiker und Räume mit vielen Möbeln oder neuen Einrichtungsgegenständen.
  • Kalkputz: Badezimmer, Küche (auch im Kochbereich), Flure, Treppenhäuser, Eingangsbereiche. Auch in historischen Gebäuden die erste Wahl.
  • Nicht geeignet für Lehmputz: Duschen, Außenwände, Bereiche mit direktem Wasserspritzern. Er ist nicht wasserfest.
  • Kalkputz in Duschen: Nur mit korrektem Aufbau und einer Kalkfarbe als Abschluss. Als Glätteputz ist er hier die beste Wahl.

Wenn du einen Raum mit hohen Anforderungen an Reinigung und Haltbarkeit hast - wie eine Küche mit Kochfeld oder ein Badezimmer mit Dusche - dann wähle Kalkputz. Wenn du eine ruhige, gesunde Atmosphäre willst, in der die Luft sich leicht anfühlt, dann ist Lehmputz die bessere Wahl.

Hände, die Lehmmörtel und Kalkputz auf eine vorbereitete Wand auftragen

Kosten, Reparatur und Zukunft

Ja, es ist teurer. Lehmputz kostet zwischen 25 und 35 Euro pro Quadratmeter, Kalkputz 20 bis 30 Euro. Dispersionsputz liegt bei 10 bis 15 Euro. Aber du kaufst nicht nur eine Wand - du kaufst ein gesundes Raumklima, weniger Heizkosten (durch bessere Wärmespeicherung), weniger Allergiesymptome und eine nachhaltige Lösung.

Und hier kommt ein großer Vorteil: Beide Putze sind leicht zu reparieren. Ein Kratzer? Ein Loch? Du rührst einfach etwas von dem ursprünglichen Putz an, füllst es ein, streichst es glatt - und nach ein paar Tagen ist es unsichtbar. Bei Dispersionsputz bleibt immer ein sichtbarer Übergang, weil die Farbe nicht mehr passt.

Die Zukunft gehört Hybridputzen. Neue Mischungen aus Lehm, Kalk und Gips vereinen die Vorteile: Feuchtigkeitsregulierung von Lehm, Festigkeit von Gips, Schimmelschutz von Kalk. Auf der BAU 2023 in München wurden sogar Putze vorgestellt, die mit Sensoren ausgestattet sind - sie messen die Luftfeuchtigkeit und zeigen sie über eine App an. Das ist der nächste Schritt: intelligente, gesunde Wände.

Was du jetzt tun kannst

Wenn du planst, deine Wände neu zu verputzen - egal ob Neubau oder Sanierung - dann frag dich: Was ist mir wichtiger? Die günstigste Lösung? Oder ein gesundes Zuhause?

Wenn du Allergien hast, Kinder hast oder einfach eine ruhigere Atmosphäre willst: Wähle Lehmputz. Wenn du in einer Küche oder im Badezimmer arbeitest oder Schimmel bekämpfen willst: Geh mit Kalkputz.

Und vergiss nicht: Die Untergrundvorbereitung ist entscheidend. Kein Putz hält, wenn die Wand nicht richtig vorbereitet ist. Lass dich von einem Fachmann beraten - besonders wenn du zum ersten Mal mit Naturputz arbeitest. Es lohnt sich. Denn nach drei Jahren wirst du dich nicht über die Kosten ärgern - sondern über die Luft, die du atmest.

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