Datenschutz bei Kameras auf der Baustelle: Das müssen Sie wissen
Dez, 3 2025
Stellen Sie sich vor: Sie installieren eine Kamera auf Ihrer Baustelle, um Diebstahl zu verhindern. Wochen später erhalten Sie einen Brief vom Landesdatenschutzbeauftragten: 4.200 Euro Bußgeld. Der Grund? Die Kamera hat Ihren Nachbarn beim Wäscheaufhängen gefilmt. Kein Einzelfall. In Deutschland ist Videoüberwachung auf Baustellen nicht einfach erlaubt - sie ist eine rechtliche Fallgrube, die viele Bauunternehmer unbeabsichtigt betreten.
Warum ist Videoüberwachung auf Baustellen grundsätzlich problematisch?
Jede Kamera, die Menschen erfasst, greift in ihr Persönlichkeitsrecht ein. Das gilt auch für Arbeiter, Lieferanten oder Passanten. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sagt klar: Solche Eingriffe sind nur zulässig, wenn sie notwendig sind und keine überwiegenden Rechte der Betroffenen verletzen. Ein bloßes Interesse an Sicherheit reicht nicht. Sie müssen nachweisen, dass die Kamera wirklich nötig ist - und dass es keine weniger eingreifende Alternative gibt.Ein Beispiel: Wenn Sie Kameras aufstellen, um zu sehen, ob jemand Werkzeug stiehlt, ist das ein berechtigtes Interesse. Aber wenn Sie die Kamera nutzen, um zu kontrollieren, ob Mitarbeiter zu lange pausieren, ist das unzulässig. Das Arbeitsgericht München hat 2022 klargestellt: Arbeitszeiten zu überwachen, verstößt gegen § 26 BDSG. Das ist kein Sicherheitsproblem - das ist Überwachung. Und das ist illegal.
Was ist die rechtliche Grundlage für Baustellenkameras?
Die einzige zulässige Rechtsgrundlage für Videoüberwachung auf Baustellen ist Artikel 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Das bedeutet: Verarbeitung personenbezogener Daten zur Wahrung berechtigter Interessen. Aber: Es muss eine Abwägung stattfinden. Ihre Interessen - Eigentumsschutz, Diebstahlverhütung, Bauverlaufsdokumentation - stehen gegen die Rechte der Menschen, die gefilmt werden.Die Bundesgerichtshof-Entscheidung vom 15. März 2023 hat das noch verschärft: Bereits die Erfassung von Arbeitskleidung mit Firmenlogo gilt als personenbezogene Daten. Warum? Weil man daraus ableiten kann, wer auf der Baustelle arbeitet. Selbst Kennzeichen von Lieferfahrzeugen zählen als personenbezogene Daten, wenn sie mit Personen verknüpft werden können. Das unterschätzen fast alle.
Was darf die Kamera aufnehmen - und was nicht?
Die Kamera darf nur das erfassen, was unbedingt nötig ist. Das heißt: nur die Baustelle selbst. Alles, was außerhalb liegt, ist verboten.Ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm aus 2021 hat das klar gemacht: Selbst wenn die Kamera nur 30 Zentimeter über den Zaun hinaus zeigt - weil sie einen Gehweg erfasst - ist das ein Verstoß. Das gilt auch für Parkplätze, Gehwege, Vorgärten oder Fenster von Nachbarhäusern. Selbst wenn Sie denken: „Das ist doch nur ein kleiner Ausschnitt.“ Nein. Jeder Millimeter, der nicht zur Baustelle gehört, ist illegal.
Und was ist mit der Rückseite des Gebäudes? Oder dem Lagerbereich? Auch hier gilt: Nur, wenn es ein klar abgegrenzter, geschlossener Baustellenbereich ist. Wenn dort auch Passanten vorbeikommen - etwa weil es ein öffentlicher Weg ist - dann darf die Kamera nicht dort stehen. Punkt.
Wie muss die Verpixelung funktionieren?
Alle Personen müssen anonymisiert sein. Das heißt: Gesichter, Körperkonturen, Kleidung mit Logos - alles muss verpixelt werden. Aber nicht irgendeine Verpixelung. Es muss eine technisch sichere und dynamische Verpixelung sein.Der Bundesbeauftragte für Datenschutz (BfDI) schreibt vor: Mindestens 15 x 15 Pixel pro Gesicht. Aber das reicht nicht mehr. Seit April 2023 verlangt die Datenschutzkonferenz dynamische Verpixelung: Die Pixel müssen sich mit der Person bewegen. Wenn jemand sich dreht, läuft oder einen Helm abnimmt - die Verpixelung muss mitziehen. Statische Verpixelung, die nur ein Bild fixiert, ist ab 1. Januar 2024 nicht mehr zulässig.
Ein Test der „Deutschen Handwerks Zeitung“ zeigte: Nur 92% der Kameras mit automatischer Verpixelung von NETCO erfüllen diese Anforderung. Andere Systeme, die nur „grobe“ Verpixelung anbieten, sind rechtlich unsicher. Und wer sich darauf verlässt, riskiert Bußgelder. Denn: Die Behörden prüfen nicht, ob die Kamera „fast“ richtig ist. Sie prüfen, ob sie vollständig datenschutzkonform ist.
Wie lange dürfen Aufnahmen gespeichert werden?
Die Standard-Speicherdauer beträgt 72 Stunden. Das ist die Regel. Es gibt keine Ausnahmen für „wenn ich mal etwas brauche“. Wenn nach 72 Stunden kein Diebstahl oder Vandalismus vorliegt, müssen die Daten gelöscht werden.Die Ausnahme: Wenn ein konkreter Verdacht besteht. Dann dürfen Sie die Daten länger speichern - aber nur bis zur Aufklärung des Falls. Und auch dann müssen Sie dokumentieren, warum. Ein Beispiel: Ein Bauteil wurde gestohlen. Sie speichern die Aufnahmen vom Tag des Diebstahls. Nach drei Tagen haben Sie den Täter identifiziert. Dann löschen Sie alles - außer den relevanten Clips, die Sie der Polizei übergeben. Diese dürfen Sie so lange behalten, wie das Verfahren läuft. Aber nicht länger.
Einige Länder wie Österreich erlauben bis zu vier Wochen. Die Schweiz hat kaum Regeln. In Deutschland gilt: 72 Stunden. Punkt. Wer das ignoriert, riskiert ein Bußgeld - und zwar nicht nur wegen der Speicherung, sondern auch wegen des Verstoßes gegen das Prinzip der Datenminimierung (Art. 5 DSGVO).
Was muss dokumentiert werden?
Sie können nicht einfach eine Kamera aufstellen und hoffen, dass alles gut geht. Sie müssen alles dokumentieren - und zwar richtig. Laut Artikel 30 DSGVO müssen Sie ein Verzeichnis über Ihre Verarbeitungstätigkeiten führen. Das muss enthalten:- Die Art der Verarbeitung (Videoüberwachung)
- Die Zwecke (Eigentumsschutz, Bauverlauf)
- Die Kategorien betroffener Personen (Arbeiter, Lieferanten, Passanten)
- Die Empfänger der Daten (z. B. Polizei, Versicherung)
- Die geplante Speicherdauer (72 Stunden)
- Die technischen Maßnahmen (Verpixelung, Zugangskontrolle)
- Die Interessenabwägung: Warum ist die Kamera nötig? Warum gibt es keine bessere Lösung?
Die Dokumentation muss schriftlich vorliegen. Kein „ich hab’s mir gemerkt“. Kein „das steht in der Cloud“. Ein PDF, gedruckt oder digital signiert. Und es muss jederzeit vorgelegt werden können - bei einer Prüfung der Aufsichtsbehörde, bei einer Beschwerde eines Arbeitnehmers, bei einem Bußgeldverfahren.
Was passiert, wenn ich es falsch mache?
Die Bußgelder können hoch sein. Bis zu 20 Millionen Euro - oder 4% des weltweiten Jahresumsatzes. Ja, das klingt dramatisch. Aber es ist real. Ein Bauunternehmen aus Baden-Württemberg musste 2023 4.200 Euro zahlen, weil eine Kamera einen Nachbarn beim Wäscheaufhängen erfasst hatte.Und es geht nicht nur um Geld. Es geht um Vertrauen. Wenn Mitarbeiter merken, dass sie überwacht werden - ohne dass es rechtlich korrekt ist - dann entsteht Misstrauen. Das schadet der Arbeitsatmosphäre. Und es kann zu Klagen führen. Ein Fall aus Köln: Ein Mitarbeiter klagte, weil er sich „wie in einer Gefängniszelle“ fühlte. Die Kamera war zwar nur auf das Lager gerichtet - aber ohne Dokumentation und Verpixelung. Das Gericht gab ihm recht.
Im Gegenzug: Ein mittelständisches Unternehmen aus Köln konnte 2022 einen Diebstahl von 18.500 Euro aufklären - weil sie eine korrekte Kamera hatten. Die Polizei nutzte die Daten, die Täter wurden verurteilt. Das ist der positive Effekt - aber nur, wenn alles richtig gemacht ist.
Wie setze ich eine datenschutzkonforme Kamera richtig ein?
Folgen Sie diesen fünf Schritten:- Interessenabwägung dokumentieren: Schreiben Sie auf, warum Sie die Kamera brauchen. Warum ist sie notwendig? Was wäre die Alternative? (Durchschnittlich 2 Stunden Arbeit)
- Kamera positionieren: Nur Baustellenbereiche. Keine Straßen, keine Nachbargrundstücke. Prüfen Sie den Blickwinkel mit einer Karte oder einem Laser.
- Verpixelung einrichten: Nutzen Sie nur Systeme mit dynamischer, automatischer Verpixelung. Testen Sie sie mit mehreren Personen in verschiedenen Positionen.
- Hinweisschilder anbringen: Sie müssen mindestens 21 x 29,7 cm groß sein. Enthalten: Name und Adresse des Verantwortlichen, Zweck der Aufnahme, Hinweis auf Auskunftsrecht. Am Eingang - sichtbar, nicht versteckt.
- Speicherprozess einrichten: Automatische Löschung nach 72 Stunden. Keine manuelle Speicherung. Keine „Zusatz-Clips“.
Die durchschnittliche Einarbeitungszeit beträgt 6,2 Stunden pro Baustelle. Viele Unternehmen holen sich externe Datenschutzberater dazu - das lohnt sich. Die Kosten für eine korrekte Kamera liegen bei durchschnittlich 1.250 Euro, plus 450 Euro für rechtliche Beratung. Aber: Die Alternative - ein Bußgeld von 4.200 Euro - ist teurer.
Was ist die Zukunft?
Die Digitalisierung im Bauwesen treibt die Nutzung von Kameras voran. Bis 2025 sollen 95% aller Baustellen mit Dokumentationssystemen ausgestattet sein. Aber: Nur die, die datenschutzkonform sind, überleben.Die Versicherungen fordern es bereits: 71% der Bauherrenversicherungen verlangen seit 2022 eine datenschutzkonforme Überwachung. Wer das nicht hat, bekommt keinen Versicherungsschutz. Und die Technik wird besser: KI-gestützte Verpixelungslösungen, die bis 2025 die Kosten um 35% senken, sind in Entwicklung. Die Zeit der billigen, unsicheren Kameras ist vorbei.
Die Rechtslage ist streng. Aber klar. Wer sie respektiert, schützt nicht nur seine Mitarbeiter - sondern auch sein Unternehmen. Wer sie ignoriert, riskiert mehr als Geld. Er riskiert seinen Ruf. Und seine Zukunft als Bauunternehmer.