Schenkungsfrist und Rückforderungsrechte bei Immobilienübertragung: Was Sie unbedingt wissen müssen
Nov, 24 2025
Wenn Sie eine Immobilie an Ihre Kinder oder Enkel schenken, denken Sie vielleicht, dass die Sache mit dem Notar und der Grundbucheintragung erledigt ist. Doch das ist nur der Anfang. In Deutschland gibt es eine unsichtbare Uhr, die nach der Schenkung losläuft - die Schenkungsfrist. Und wenn Sie sie falsch verstehen, kann das teuer werden: Steuern, Sozialhilferückforderungen, oder sogar der Verlust des Hauses.
Was genau ist die 10-Jahres-Frist?
Die zentrale Regelung ist die 10-Jahres-Frist. Sie taucht in drei unterschiedlichen Rechtsbereichen auf - und jedes Mal mit anderen Folgen. Viele Menschen verwechseln sie, weil sie alle denselben Namen tragen. Aber sie sind nicht dasselbe.
Im Steuerrecht (§ 14 ErbStG) bedeutet sie: Wenn Sie eine Immobilie an Ihr Kind schenken, und danach 10 Jahre leben, können Sie erneut bis zu 400.000 € steuerfrei schenken. Der Freibetrag für Kinder wird nach 10 Jahren wieder aufgefüllt. Das ist kein Zufall - es ist ein Planungsinstrument. Wer seine Immobilie mit 60 an die Kinder überschreibt und bis 70 lebt, entzieht das Haus komplett der Erbschaftsteuer.
Im Erbrecht (§ 2325 BGB) funktioniert sie anders: Wenn Sie nach der Schenkung sterben, wird der Wert der Immobilie in die Erbschaft einbezogen - aber nur schrittweise. Im ersten Jahr nach Ihrem Tod zählt der volle Wert. Danach sinkt er jedes Jahr um 10 %. Nach 10 Jahren ist er komplett weg - für Pflichtteilsberechtigte (z. B. andere Kinder) hat er dann keine Bedeutung mehr.
Und im Sozialrecht (§ 528 BGB) ist sie die strengste: Wenn Sie nach der Schenkung Sozialhilfe oder Pflegegeld brauchen, kann das Sozialamt die Immobilie zurückfordern - aber nur, wenn die Schenkung weniger als 10 Jahre zurückliegt. Hier zählt nicht, ob Sie noch leben. Es zählt nur: Wann wurde das Grundbuch geändert?
Wann beginnt die Frist wirklich?
Der häufigste Fehler? Die Frist beginnt nicht mit dem Notartermin. Sie beginnt mit der Grundbucheintragung.
Ein Fall aus Graz: Ein Ehepaar hat im Januar 2015 den Schenkungsvertrag unterschrieben, aber die Eintragung im Grundbuch verzögerte sich aufgrund eines Fehlers im Kataster auf den 15. März 2015. Als der Ehemann 2023 Pflegebedürftig wurde, wollte das Sozialamt die Immobilie zurückfordern. Die Frist lief erst ab März 2025 - also noch 14 Monate. Der Ehemann hatte gedacht, er sei „sicher“, weil es schon 8 Jahre her war. Aber die Frist war nicht abgelaufen.
Die Grundbucheintragung ist der rechtliche Moment, in dem das Eigentum wirklich übergeht. Alles andere - Notar, Zahlung, Übergabe der Schlüssel - ist nur Vorbereitung. Wenn Sie die Frist berechnen, schauen Sie immer auf das Grundbuch. Nicht auf den Vertrag. Nicht auf die Steuerbescheide. Auf das Grundbuch.
Was passiert, wenn Sie sich ein Wohnrecht vorbehalten?
Viele Eltern schenken das Haus, bleiben aber drin. Das klingt logisch - aber es ist eine Falle.
Wenn Sie sich ein Nießbrauchsrecht oder ein Wohnungsrecht vorbehalten, beginnt die 10-Jahres-Frist erst dann, wenn Sie dieses Recht aufgeben. Das hat der Bundesgerichtshof im Januar 2023 klar gestellt (Az. IV ZR 22/22).
Ein Beispiel: Frau Meier schenkt 2015 ihr Haus an ihre Tochter, behält aber das Wohnrecht. Sie zieht erst 2022 in eine Pflegeeinrichtung - und gibt das Wohnrecht auf. Jetzt beginnt die Frist erst 2022. Wenn sie 2023 stirbt, zählt die Schenkung noch als „neu“ - und der Wert wird voll in die Erbschaft einbezogen. Ihre anderen Kinder können Pflichtteile geltend machen. Die Steuerbehörde kann die Schenkungssteuer nachfordern. Und das Sozialamt könnte die Immobilie zurückverlangen, wenn sie Sozialhilfe bezogen hat.
Das ist kein theoretisches Szenario. In 68,5 % der Fälle, die laut Deutscher Notarkammer 2023 untersucht wurden, waren Mandanten über diese Regelung falsch informiert. Sie dachten: „Ich habe das Haus geschenkt - jetzt ist es weg.“ Aber rechtlich ist es noch nicht weg, solange Sie drin wohnen.
Was ist mit mehreren Schenkungen?
Wenn Sie zwei Kinder haben, können Sie jedem 400.000 € schenken - das ist kein Problem. Aber wenn Sie 2018 dem einen Kind 400.000 € schenken und 2020 dem anderen Kind auch 400.000 €, dann zählt jede Schenkung einzeln. Die Freibeträge werden nicht kumuliert.
Das Finanzamt hat das im März 2023 explizit bestätigt: Jeder Begünstigte hat seinen eigenen Freibetrag. Sie können also insgesamt 800.000 € an zwei Kinder schenken - aber nur, wenn jede Schenkung separat und mit eigenem Grundbucheintrag erfolgt.
Wichtig: Jede Schenkung hat ihre eigene 10-Jahres-Frist. Die Frist für die erste Schenkung läuft ab 2028. Die für die zweite ab 2030. Sie können nicht einfach „die Frist“ abwarten - Sie müssen für jede Schenkung einzeln aufpassen.
Wann kann die Immobilie zurückverlangt werden?
Die Rückforderung ist kein „Kann“, sondern ein „Kann - und wird“ - wenn die Voraussetzungen stimmen.
Im Sozialrecht: Wenn Sie innerhalb von 10 Jahren nach der Schenkung Sozialhilfe oder Pflegegeld beantragen, hat das Amt das Recht, die Immobilie als Vermögen zu betrachten - und sie zurückzufordern. Das gilt auch, wenn Sie nur ein kleines Stück der Immobilie behalten haben. Die Höhe der Rückforderung richtet sich nach dem Wert zum Zeitpunkt der Schenkung, nicht nach dem heutigen Marktwert.
Im Erbrecht: Wenn Sie andere Kinder haben, die nicht begünstigt wurden, können sie innerhalb von 10 Jahren nach Ihrem Tod einen Pflichtteilsanspruch geltend machen - aber nur auf den Teil der Schenkung, der noch nicht abgeschmolzen ist. Nach 10 Jahren ist der Anspruch erloschen.
Im Steuerrecht: Die Finanzbehörde kann die Schenkungssteuer nachfordern, wenn die Schenkung nicht ordnungsgemäß angemeldet wurde - auch nach 10 Jahren. Die Frist für die Steuerprüfung läuft unabhängig von der 10-Jahres-Frist. Sie kann bis zu 4 Jahre nach der Schenkung beginnen, wenn der Anmeldungsfehler nicht offensichtlich war.
Was ist der häufigste Fehler?
Die meisten Menschen machen drei Fehler - und einer davon ist tödlich.
- Falscher Startpunkt: Sie denken, die Frist beginnt mit dem Notartermin. Sie hat sie mit der Grundbucheintragung.
- Vergessene Rechte: Sie halten ein Wohnrecht, Nießbrauch oder Vorkaufsrecht - und wissen nicht, dass die Frist dadurch erst später beginnt.
- Verwechslung der Fristen: Sie denken, die Steuer-Frist ist dieselbe wie die Sozialhilfe-Frist. Sie sind drei verschiedene Uhren.
Ein Fall aus dem Forum finanztip.de: Ein Mann schenkte 2014 sein Haus an seine Tochter, behielt aber das Nießbrauchsrecht. 2022 zog er aus. 2023 starb er. Seine Tochter bekam eine Steuernachforderung von 120.000 € - weil die Frist erst 2022 begann, und sie 2023 starb. Sie hatte gedacht, sie sei „steuerfrei“, weil es 9 Jahre her war. Aber es waren nur 1 Jahr.
Wie planen Sie richtig?
Wenn Sie eine Immobilie schenken wollen, brauchen Sie drei Dinge:
- Ein Datum: Notieren Sie den Tag der Grundbucheintragung. Speichern Sie den Eintrag aus dem Grundbuch. Machen Sie ein Foto. Sichern Sie es digital und physisch.
- Ein Dokument: Legen Sie alle Verträge, Nachweise über vorbehaltene Rechte und die Immobilienbewertung vom Schenkungsdatum beiseite. Das Finanzamt fragt danach - oft erst Jahre später.
- Einen Zeitpuffer: Planen Sie mindestens 12 Monate vor Ablauf der Frist. Grundbuchverzögerungen, Krankheiten, Gerichtsverfahren - alles kann die Frist verschieben. Wenn Sie denken, die Frist läuft ab im März 2025, dann beginnen Sie im März 2024 mit der Prüfung.
Die Deutsche Notarkammer empfiehlt: Lassen Sie sich von einem Notar und einem Steuerberater gemeinsam beraten. Eine einfache Schenkung kostet 600-900 € an Beratung. Eine komplexe mit Wohnrecht kostet 1.200 € und mehr. Aber das ist günstiger als eine Steuernachforderung von 50.000 € oder der Verlust der Immobilie.
Was ändert sich in Zukunft?
Die 10-Jahres-Frist ist kein statisches Gesetz. Sie wird sich verändern.
Die Bundesregierung hat in ihrem Erbschaftsteuerbericht 2023 erkannt: Die Immobilienpreise steigen, die Bevölkerung altert. Die 400.000 € Freibetrag für Kinder sind heute fast unrealistisch. Experten wie Prof. Dr. Michael Schmidt von der LMU München prognostizieren eine Anhebung der Freibeträge - vielleicht auf 600.000 € oder mehr.
Auch die Komplexität wird kritisiert. Die Europäische Kommission hat das deutsche System als „hinderlich für den Binnenmarkt“ bezeichnet - besonders bei Erbfällen mit Auslandsbezug. Es ist möglich, dass in Zukunft die drei Fristen vereinheitlicht werden - aber das wird Jahre dauern.
Was bleibt: Die 10-Jahres-Frist ist heute das wichtigste Instrument, um Vermögen sicher an die nächste Generation zu übertragen. Aber nur, wenn Sie sie richtig verstehen.
Was passiert, wenn Sie nichts tun?
Wenn Sie die Immobilie nicht schenken, sondern erst im Tod übergehen, zahlt Ihre Familie die Erbschaftsteuer - oft 20-30 % des Wertes. Bei einer Immobilie von 800.000 € sind das 160.000-240.000 €. Das ist kein kleiner Betrag. Das ist das, was Ihre Kinder nachher noch haben.
Wenn Sie schenken, aber die Frist ignorieren, riskieren Sie: Steuernachzahlung, Sozialhilferückforderung, Erbschaftsstreit zwischen Geschwistern, oder den Verlust des Hauses.
Die 10-Jahres-Frist ist kein Hindernis. Sie ist eine Chance - wenn Sie sie nutzen.
Wann beginnt die Schenkungsfrist genau - mit dem Notartermin oder der Grundbucheintragung?
Die Schenkungsfrist beginnt immer mit der Eintragung im Grundbuch, nicht mit dem Notartermin oder dem Zahlungseingang. Nur wenn das Eigentum rechtlich übertragen ist, läuft die Frist. Wer das falsch versteht, riskiert Steuernachforderungen oder Rückforderungen durch das Sozialamt. Halten Sie immer den Grundbucheintrag als Nachweis bereit.
Kann ich eine Immobilie an mehrere Kinder schenken und den Freibetrag verdoppeln?
Ja, aber nicht durch Kumulierung. Jedes Kind hat seinen eigenen Freibetrag von 400.000 €. Sie können also zwei Kindern jeweils 400.000 € schenken - insgesamt 800.000 € - und steuerfrei bleiben. Jede Schenkung hat aber ihre eigene 10-Jahres-Frist. Sie können nicht einen Freibetrag auf zwei Kinder verteilen.
Was passiert, wenn ich nach der Schenkung Sozialhilfe beantrage?
Wenn Sie innerhalb von 10 Jahren nach der Grundbucheintragung Sozialhilfe oder Pflegegeld beantragen, kann das Sozialamt die Immobilie als Vermögen anerkennen und zurückfordern. Das gilt auch, wenn Sie nur ein Wohnrecht behalten haben. Die Frist beginnt mit der Eintragung - nicht mit dem Tag, an dem Sie krank wurden.
Beeinflusst ein vorbehaltenes Wohnrecht die Frist?
Ja, massiv. Wenn Sie sich ein Wohnrecht oder Nießbrauchsrecht vorbehalten, beginnt die 10-Jahres-Frist erst mit dem Wegfall dieses Rechts - nicht mit der Schenkung. Der Bundesgerichtshof hat das 2023 klargestellt. Wer das nicht weiß, riskiert, dass die Schenkung trotz 10 Jahren noch als „neu“ gilt - mit Steuernachforderung und Pflichtteilsansprüchen.
Kann ich nach 10 Jahren erneut eine Immobilie schenken?
Ja, und das ist der Hauptvorteil. Nach Ablauf der 10-Jahres-Frist ist der Freibetrag von 400.000 € für Kinder wieder vollständig verfügbar. Sie können also erneut bis zu diesem Betrag steuerfrei schenken - und das mehrfach, solange die Frist jeweils abgelaufen ist. Viele Familien nutzen das, um Vermögen schrittweise zu übertragen.
Was ist der Unterschied zwischen Erbschaftsteuer und Schenkungssteuer bei der 10-Jahres-Frist?
Es gibt keinen Unterschied in der Frist - aber einen in der Wirkung. Die 10-Jahres-Frist gilt für beide. Bei der Schenkungssteuer wird der Freibetrag nach 10 Jahren erneut aktiviert. Bei der Erbschaftsteuer wird der Wert der Schenkung im Erbfall nur noch abgeschmolzen - bis er nach 10 Jahren nicht mehr berücksichtigt wird. Die Frist ist dieselbe, aber die Regelung ist unterschiedlich.
Wie lange hat das Finanzamt Zeit, die Schenkungssteuer nachzuverlangen?
Das Finanzamt kann die Schenkungssteuer bis zu 4 Jahre nach der Anmeldung nachfordern - wenn keine Angaben vorlagen oder sie falsch waren. Wenn Sie die Schenkung nicht angemeldet haben, kann die Frist bis zu 10 Jahre betragen. Die 10-Jahres-Frist für den Freibetrag ist etwas anderes als die Prüffrist der Steuerbehörde. Beide laufen parallel.